Vor drei Jahrzehnten beschloss der Bundestag das Berlin/Bonn-Gesetz. Es regelte die Aufteilung der Ministerien zwischen der alten und der neuen Hauptstadt Deutschlands und sollte sicherstellen, dass Bonn ökonomisch nicht unter dem Umzug zahlreicher Ministerialbeamter nach Berlin leiden würde. Zudem sollten im Gegenzug zum Verlust des Hauptstadtstatus Bundesbehörden sowie internationale Institutionen in der sympathischen Stadt am Rhein angesiedelt werden.
Schülerinnen und Schüler der Lorcher Leistungskurse Geschichte und Wirtschaft sowie der Politik-AG konnten sich bei ihrer Exkursion in die Bundesstadt davon überzeugen, dass Bonn den Regierungsumzug außerordentlich gut verkraftet hat. Die erste Station der Studienfahrt war das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, welches im ehemaligen Kanzleramt untergebracht ist. Zunächst wurden die Strukturen des Hauses und die Ziele wirtschaftlicher Zusammenarbeit (früher: Entwicklungshilfe) erläutert. Im Anschluss berichtete eine Studentin von ihren Erfahrungen, die sie nach dem Abitur mithilfe des Programms Weltwärts in Namibia gesammelt hat.
Nahtlos weiter ging es zur Dokumentationsstätte Regierungsbunker in Ahrweiler. Eine kurzweilige Führung durch die imposante Bunkeranlage, die im Übrigen ohne Bundesmittel für die Öffentlichkeit erhalten wird, führte zurück in die Dekaden des Kalten Kriegs, als sich die Bundesregierung für den Fall eines Atomschlags ein Refugium im nahen Rheinland-Pfalz eingerichtet hatte. Die vom Heimatverein „Alt-Ahrweiler e.V.“ wieder zugänglich gemachten Passagen des ehedem 17 Kilometer langen Bunkergeflechts, das aufgrund der sagenhaften Akustik auch schon bei Ravern Begehrlichkeiten weckte, erinnerten an die Konflikte in der Zeit des Ost-West-Gegensatzes und warfen auch ein Schlaglicht auf die verschärfte Sicherheitslage heutzutage.
Der zweite Tag der von den Jugendoffizieren in Ellwangen und Bonn ebenso kompetent wie unkompliziert organisierten Exkursion begann auf dem Weg der Demokratie, der im ehemaligen Bonner Regierungsviertel die Geschichte der Demokratie in Deutschland sichtbar werden lässt. Eine Fortsetzung fand dieser Programmpunkt im Haus der Geschichte, das mit einem außerordentlich klugen Arrangement vielfältiger Exponate aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Schüler in seinen Bann zog. Die lebendigen, aus persönlichem Erleben gespeisten Führungen taten ein Übriges, die Zeit wie im Flug vergehen zu lassen. Wieder in Ahrweiler besuchte die Lorcher Gruppe die Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung, die Weiterbildungen anbietet und durch seine Lage oberhalb des Ahrtals besonders eindrücklich für ihre Anliegen werben kann: Die verheerende Flutkatastrophe vom Sommer 2021 hat die Gemeinden um Ahrweiler herum besonders getroffen. Der Offizier, der auch von seinen persönlichen Erfahrungen mit den Wassermassen berichtete, legte den Finger in die Wunde der institutionellen Unzulänglichkeiten im Vorfeld der Flut, aber auch bei deren Bekämpfung. Die Rivalität zwischen unterschiedlichen, militärischen und zivilen Organisationen, föderale Barrieren und das Fehlen von Kontingenzplänen erschwerten die Hilfe für die Betroffenen erheblich.
Am letzten Tag besuchte ein Teil der Gruppe die Flugbereitschaft der Bundeswehr, während ein anderer Teil vor dem Besuch des Bundeskartellamts nochmals einen Abstecher ins Haus der Geschichte machte. Beim Bundeskartellamt, das in Sichtweite der Villa Hammerschmidt, des ehemaligen Amtssitzes der Bundespräsidenten, residiert, befassten sich die Schülerinnen und Schüler mit der Aufgabe einer Bundesbehörde, die für die Aufrechterhaltung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs und die Bekämpfung von Kartellen zuständig ist. Anhand spektakulärer Fälle der vergangenen Jahre wurde die Puzzlearbeit veranschaulicht, mit der das Kartellamt an der Schnittstelle von Justiz und Volkswirtschaft Kartellanten das Handwerk zu legen versucht. Besondere Herausforderungen stellen dabei die global agierenden Technologiekonzerne mit ihren digitalen Geschäftsmodellen.
Die Fahrt in die Bundesstadt am Rhein hinterließ bei allen Teilnehmern den Eindruck, dass Bonn den Wegzug der Regierung nach Berlin gut verkraftet hat. Zahlreiche politische wie kulturelle Institutionen machen eine Reise nach Bonn weiterhin zu einem lohnenswerten Unterfangen.